Im Fall des Vorstands des Bundes für Kinderhilfe e.V., der wegen Betruges und Untreue verurteilt worden ist, wird die Strafe neu bemessen. So der Beschluss des Bundesgerichtshofs.
Das Landgericht Augsburg hat den Angeklagten wegen Betruges (§ 263 StGB) in 123 Fällen und wegen Untreue (§ 266 StGB) zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass hinsichtlich eines Betrages von 783.580 €, den der Angeklagte insgesamt erlangt habe, nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz bzw. erweiterten Verfall von Wertersatz (§ 73d StGB) erkannt werde, weil ein Anspruch der Verletzten entgegenstehe.
Der Angeklagte war alleiniger Vorstand des Bundes für Kinderhilfe e.V. (BfK) mit Sitz in Augsburg, für welchen durch den Angeklagten bzw. durch von diesem eingeschaltete Werber zahlende Spender geworben wurden. Diesen wurde erzählt, der Bund für Kinderhilfe e.V. sei ein gemeinnütziges Kinderhilfswerk, das Waisenhäuser unterstütze und Patenschaften für hilfsbedürftige Kinder in der Dritten Welt vermittle. Für einen monatlichen Beitrag von 30 € könne eine solche Patenschaft, für einen Betrag von 15 € monatlich eine Teilpatenschaft übernommen werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts war demgegenüber lediglich ein minimaler Geldfluss an soziale Projekte in Thailand feststellbar. Das von den geworbenen “Paten” erhaltene Geld sei – soweit es nicht für Verwaltungsaufwendungen verbraucht wurde – letztlich auf einem Konto des Bund für Kinderhilfe e.V. belassen worden. Der Angeklagte habe gehandelt, um dem Bund für Kinderhilfe e.V. durch die Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen und sodann mit dem eingenommenen Geld nach eigenem Gutdünken zu verfahren. In 123 Fällen, in denen “Paten” aufgrund der unzutreffenden Angaben im Tatzeitraum (Anfang des Jahres 2005 bis zum Jahr 2009) Beträge in einer Höhe von insgesamt 148.590 € einzahlten, hat das Landgericht einen Betrug zum Nachteil der Spender angenommen.
Das Landgericht hat des Weiteren festgestellt, dass der Angeklagte im Oktober 2008 eine von ihm im Februar 2008 für 175.000 € ersteigerte Immobilie für 230.000 € an den Bund für Kinderhilfe e.V. veräußerte, wobei er sich ein lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht an einem Appartement im Dachgeschoss und ein Nutzungsrecht an den Gemeinschaftsräumen einräumen ließ. Dies hat das Landgericht als Untreue in einem besonders schweren Fall gewertet.
Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof den Strafausspruch aufgehoben, da die Strafzumessung nicht frei von Rechtsfehlern war:
Das Landgericht hat für das Finden einer Strafe innerhalb des rechtsfehlerfrei bestimmten Strafrahmens zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „im Verlaufe des über fünf Monate dauernden Prozesses keinerlei Einsicht“ hat erkennen lassen, dass „er möglicherweise in fehlerhafter Weise agiert“ hat, und bis zum Schluss darauf beharrte, „alles besser zu wissen und nichts falsch gemacht zu haben“, lässt dies besorgen, dass prozessual zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berücksichtigt wurde.Zwar kann ein Verhalten des Täters nach der Tat strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält. Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich. Schon aus diesem Grund können die Einzelstrafen von je zehn Monaten für die 123 Fälle des Betruges keinen Bestand haben.
Der Bundesgerichtshof kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, dass diese bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung niedriger ausgefallen wären, wenngleich die Verhängung noch geringerer Einzelstrafen angesichts des festgestellten Tatbildes und der Verwirklichung von zwei Regelbeispielen des § 263 Abs. 3 StGB wenig nahe liegend erscheint.
Auch die hinsichtlich der ausgeurteilten Untreue verhängte Einzelstrafe begegnet rechtlichen Bedenken. Zwar belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte für den Bund für Kinderhilfe als dessen Vereinsvorstand eine von ihm zuvor privat ersteigerte, überwiegend marode und unbewohnbare sowie für Zwecke des Vereins ungeeignete Immobilie erwarb, die Annahme eines vom Angeklagten pflichtwidrig herbeigeführten Vermögensschadens jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags. Sie tragen indes nicht die Einschätzung des Landgerichts, der Angeklagte habe einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt (§§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB). Nach den Urteilsgründen ersteigerte der Angeklagte die Immobilie im Februar 2008 für 175.000 € und veräußerte sie im Dezember 2008 für 230.000 € an den Bund für Kinderhilfe, wobei der Wert eines dem Angeklagten zusätzlich eingeräumten, lebenslangen Wohn- und Nutzungsrechtes an Teilen des Gebäudes mit rund 45.000 € in Ansatz gebracht wurde. Zugleich teilt das Landgericht mit, dass ein – im Auftrag des Angeklagten erstelltes – Gutachten den Wert der veräußerten Immobilie mit 350.000 € beziffert habe. Das Gericht setzt sich mit diesem Gutachten nicht näher auseinander, etwa mit der naheliegenden Frage, ob es sich um ein unbeachtliches Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte. Auch Feststellungen zur Frage einer zumutbaren Verwertbarkeit der Immobilie enthält das Urteil nicht. Damit bleibt die auch ansonsten für die Strafzumessung als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB) bestimmende Höhe des dem geschädigten Verein tatsächlich verbleibenden Schadens unklar.
Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der von den Rechtsfehlern insgesamt nicht betroffenen Feststellungen bedarf es nicht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. September 2011 – 1 StR 343/11